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Der folgende Text stammt aus einem Katalog, der mit Hilfe des Fotografen, Richard Wechta, hergestelt wurde:



Daquialismus oder die Kunst des Daquiali

Der folgende, digital erstellte Katalog zeigt Arbeiten, die sich je nach Standpunkt des Betrachters in ihrer Farbigkeit und Aussage verändern. Es ist reine Malerei, also gängiges Farbmaterial - vorwiegend Acryl -, das ohne Verwendung farbfremder Materialien verwendet wird.

Was bedeutet Daquiali?

Im Italienischen heißt:
Da: von
qui: hier
a: nach
li: dort


Die Malerei des Daquiali ist eine solche, die sich von hier (gehend) nach dort (gehend) verändert. Die Veränderungen sind bewusst konzipiert und auf der Leinwand durchgeführt. Lichteinflüsse schaffen auch Veränderungen, die als zusätzliche Effekte eingesetzt werden können.

Da ein Bild in dieser Technik sich dem Betrachter erst dadurch erschließt, indem er an dem Bild vorübergeht, sprach ich anfangs von einer "Malerei im Vorübergehen". Später fand ich den Terminus "Daquiali" - von-hier-nach-dort. Indem man an dem Bild, an der Leinwand vorübergeht, verändern sich Farben und Formen.

Entwickelt hat sich diese Malerei aus meiner in den späten 80ern entwickelten Technik, die Farben mit dem Pinselstiel, oder mit der Rakel auseinanderzutreiben, so dass nach dem Trocknen der Farben diese als erhabene, dünne Reliefstrukturen stehenblieben. Bei jedem Farbauftrag wurden diese Strukturen stärker, intensiver, pastoser. Anfang der 90er arbeitete ich an diesen Strukturen und entwickelte die Idee, die Farben einmal von links und einmal von rechts aufzutragen, um von den verschiedenen Betrachtungspunkten verschiedene Wirkungen zu erzielen.
Es fehlten aber noch die hierzu entsprechenden Inhalte. Eine inhaltslose, gegenstandslose Malerei, die sich lediglich in ihrer Farbigkeit im Vorübergehen verändert, war mir zu wenig.
Mit dem Fresco von Giotto, »Die Unbeständigkeit«, hatte ich den Zugang zu Themen gefunden, denen Bewegung und Veränderung inhaltlich immanent sind und sich sinnvoll durch meine Malerei des Daquiali bearbeiten ließen. Hier habe ich die Themen geometrischen Figuren zugeordnet, um die Inhalte zu abstrahieren. Somit wird »Die Unbeständigkeit« nicht personifiziert, sondern philosophisch abstrakt erfahrbar und interpretierbar. Es verändert sich also die Interpretationsebene.

Es folgte eine Serie, die sich mit anderen alten Meistern befasste, deren Themen mit Veränderung, Bewegung u.ä. in Zusammenhang standen. Was für Giotto gilt, gilt für manche Themen der alten Meister wie Michelangelos »Vertreibung aus dem Paradies» u.a., die sich nun in meiner Darstellungsform theoretisch, abstrakt und zeitgemäß konkret interpretieren lassen.

Um diesen Vorgang der Veränderung zu demonstrieren, wurden die Arbeiten von 3 Seiten fotografiert: frontal, links und rechts.
Nicht jede Arbeit war technisch in der Weise zu fotografieren, dass von ganz bestimmtem Standpunkt aus ein ganz bestimmter Eindruck des Motivs zu erkennen ist. Dieser ganz bestimmte Standpunkt entspricht dem Augpunkt, nach dem einige Arbeiten konstruiert sind; so die Ellipsen, so die Rauten. Die Rauten sind empirisch(!) derart konstruiert, dass sie von einer Seite aus wie ein Quadrat, von der anderen Seite wie eine langgestreckte Raute und von frontal wie eine leicht zu einem sich der Raute anpassendem Viereck erscheinen.
Es kam mir hierbei nicht auf geometrische Exaktheit an, sondern auf Annäherung an ein Ideal, das aus einer, der Raute sich annähernden Figur ein Quadrat werden lässt.
Analoges gilt für »Gesandt«. Der Totenkopf ist dem Werk »Die Gesandten« von Hans Holbein dem Jüngeren entnommen und wird als solcher von einem extrem seitlichen Standpunkt ersichtlich. Wir haben daher 4 Ansichten dieser Arbeit abgebildet.

Alle Arbeiten sind von der Zentralperspektivik aufgenommen. Dieser zentralperspektive Standpunkt ist nicht identisch mit dem des Betrachters, so er »normal« aufrecht vor dem Bild steht. Um also die Veränderung auch der Form (Raute zu Quadrat, Ellipse zu Kreis) erkennen zu können, muss sich der Betrachter in die Position des konzipierten Augpunktes stellen. Hierdurch allein gewinnt er eine einzige Sicht auf die zum Ideal sich verändernde Form im Bild.

Im Wesentlichen steckt hinter solcher Konzeption der Gedanke, dass man den Standpunkt, die Meinung, die Weltsicht eines anderen nur dann in des anderen Weise nachvollziehen kann, wenn man ziemlich genau von des anderen Sichtweise aus die Dinge betrachtet. Da aber jeder Gegenstand, auch ein mentaler, viele, nahezu unendliche Betrachtungsweisen zulässt, ist es müßig, auf einen, seinen Standpunkt zu verharren.
Einzig die Wissenschaft sucht Standpunkte, die die Wirklichkeit in Wahrhaftigkeit beschreibt. Für einen Nicht-Eingeweihten aber ist die Vielschichtigkeit heutigen wissenschaftlichen Sehens nicht nachvollziehbar. Man denke hierbei nur an die Theorien des Steven Hawkins oder an die des sich selbst reproduzierenden Universums, die das Universum nicht als einziges annimmt, sondern von unendlichen Universa ausgeht, die sich dazu noch als lebendige Wesen begreifen lassen, wie Andrei Linde es beschreibt. Hierin stecken hochkomplizierte mathematische Denkmodelle, die einem Laien absurd, weil nicht nachvollziehbar, erscheinen.

Aus diesem Grunde ist dieser einzige Standpunkt manchen der Daquiali zwar immanent, doch spricht das Daquiali auch von anderen Standpunkten aus zum Betrachter.

Ein weiterer Grund, die Leinwände zentralperspektivisch zu fotografieren, war es, eine optische Einheitlichkeit und Überschaubarkeit zu schaffen. Jede Arbeit von einem anderen Standpunkt aus zu fotografieren, wäre allein technisch höchst aufwendig gewesen und hätte beim Betrachter der Abbildungen eher zu Verwirrung als zum Verstehen der Arbeiten geführt. Somit ist es wesentlich für das Verstehen meiner Arbeit, diese im Original zu sehen. Ein Daquiali lässt sich nur als Original, in der direkten realen Anschauung verstehen.

Grubler 1992/1993, Jan. 1996 überarbeitet nach Erfindung des Begriffs "Daquiali"